Öko-Hype ums Elektroauto – alles nur Lüge?

Ist der Hype um die saubere Elektro­mobilität eine Lüge? Oder kann das E-Auto die Umwelt retten? Während eine wachsende Zahl von Auto­fahrer*innen die Abkehr vom Verbrennungs­motor für zwingend ökologisch notwendig hält, reden die Skeptiker*innen die Elektro­autos schlecht. Viele Mythen rund um dieses emotional aufgeladene Thema haben sich in den Köpfen verfestigt. Einige davon haben wir im Erenja-Magazin bereits thematisiert. Jetzt befassen wir uns mit den Öko-Bedenken gegenüber batterie­elektrischen Autos und schauen uns die Fakten­lage genauer an.

Illustration eine E-Fahrzeugs

„Elektroautos haben eine schlechtere CO2-Bilanz als Verbrenner“

Autos mit Elektro­antrieb gelten als klima­freundlich, weil sie im Betrieb keine Schad­stoffe ausstoßen. Doch ihre Öko­bilanz ist keines­wegs so eindeutig wie gern behauptet, denn grund­sätzlich müssen die erzeugten Emissionen über den gesamten Lebens­zyklus eines Autos hinweg betrachtet werden, angefangen bei der Herstellung bis hin zum Abwracken oder Recycling. Studien zur Gesamt-Umwelt­bilanz der verschiedenen Antriebe gibt es mittlerweile einige, doch diese sind kaum vergleichbar, da sie je nach Auftrag­geber*in von unterschied­lichen Grund­annahmen und Rahmen­bedingungen ausgehen. Nur eines ist sicher: Damit der Verkehr langfristig klima­neutral wird, braucht es viel mehr erneuerbaren Strom. Hier liegt das größtes Öko-Potenzial der E-Mobilität.

Eine internationale Studie der gemeinnützigen Organisation „International Council on Clean Transportation“ von 2021 ergab: Schon bei der derzeitigen Strom­zusammen­setzung in Europa stößt ein mittel­großes E-Auto über die Lebens­dauer mehr als zwei Drittel (66 bis 69 Prozent) weniger schädliche Treib­haus­gase aus als ein vergleich­barer Verbrenner.

Autoproduktion, Fertigungsstraße

„Die E-Auto-Batterie-Herstellung schadet der Umwelt“

Eine entscheidende Rolle für die Umwelt­bilanz spielt ebenfalls die Größe der Antriebs­batterie, deren Herstellung sehr viel CO2 verursacht. Und hier ist es wiederum ein Unterschied, ob sie (wie heute noch in den meisten Fällen) in Fern­ost hergestellt wird oder in Europa, mit einem viel geringeren Anteil an Kohle­strom im Strom­mix. Trotz­dem sollte nicht vergessen werden, dass auch die Herstellung fossiler Treib­stoffe Emissionen verursacht.

Illustration-Elektrobatterie

Längere Lebenserwartung als gedacht

Die Lithium-Ionen-Batterien der E-Autos halten länger durch als bisher angenommen; sie zu recyclen, ist wiederum kompliziert und rechnet sich bei den derzeit geringen Stück­zahlen kaum. Doch nach einer Studie des Fraun­hofer-Instituts für System- und Innovations­forschung werden bereits 2030 allein in der EU 2,3 Mega­tonnen ausgemusterter Fahrzeug­batterien anfallen. Diese enthalten wertvolle Roh­stoffe wie Lithium, aber auch Nickel, Kupfer und Aluminium. Damit die Metalle nicht auf Sonder­müll­deponien landen und der Umwelt schaden, erhöht Brüssel den Druck. Bis 2025 soll die Batterie-Verwertungs­quote auf zunächst 90 Prozent steigen. Die Idee ist es, die Alt­batterien lokal zu recyclen und mit den wieder­gewonnenen Roh­stoffen in europäischen Fabriken neue herzustellen. Denn sollte die Anzahl der E-Autos immer weiter steigen, dann werden laut den Fraun­hofer-Forscher*innen in der EU bis 2030 etwa 2,5 Mega­tonnen Neu­batterien gebraucht.

„Und wo soll der ganze Strom für die E-Mobilität herkommen?“

Will Deutschland seine ehrgeizigen Klima­ziele erreichen, braucht es einen massiven Zubau an erneuer­baren Erzeugungs­kapazitäten. Der zusätzliche Strom­bedarf durch E-Autos wird jedoch häufig über­schätzt. Ein Szenario: Wenn die aktuell rund 45 Millionen Pkw auf deutschen Straßen weit­gehend elektrisch fahren würden, wären dafür gut 100 Tera­watt­stunden (TWh) Strom im Jahr nötig, so eine Prognose des Bundes­umwelt­ministeriums (BMUV). Das sei etwa ein Sechstel dessen, was Deutsch­land pro Jahr insgesamt an Strom verbraucht. Im Jahr 2021 haben die Erneuer­baren in Deutsch­land 233,6 TWh Strom erzeugt, also mehr als doppelt so viel wie der Bedarf einer komplett elektrifizierten Fahr­zeug­flotte. Entscheidend wird am Ende sein, dass durch den Umbau der Energie­versorgung der Primär­energie­bedarf zurückgeht. Das ist gut fürs Klima und senkt unsere Abhängigkeit von fossilen Energie-Importen.

öffentliche Ladesäule
symbolisch für Energiemix
Wallbox an der Hauswand

„Dem Stromnetz droht der Kollaps“

Die reine Strom­menge stellt nicht die größte Heraus­forderung für die Verkehrs­wende dar, schließlich exportiert Deutschland sogar Strom. Das Problem ist eher dessen Verteilung. Dass immer mehr E-Autos zu Hause an der Wallbox oder an öffentlichen Lade­säulen „aufgetankt“ werden, führt zu einer veränderten Belastung des Strom­netzes mit zeit­weisen Last­spitzen. Hier kommt smarten Lade­lösungen im privaten Bereich in Zukunft eine wichtige Rolle zu. Durch intelligentes Lade­management beziehen sie grünen Strom, wann immer Über­schüsse verfügbar sind, zum Beispiel von der eigenen PV-Anlage. Dass ladende Elektro­autos flexibel als Zwischen­speicher genutzt und damit zum stabilisierenden Teil eines intelligenten Strom­netzes („Vehicle to grid“) werden, ist allerdings noch Zukunfts­musik. Örtliche Netz­betreiber bieten aber heute schon günstigere Netz­entgelte an, wenn sie den Strom­bezug der Wall­box in Spitzen­last-Zeiten aussetzen dürfen. Dazu müssen die E-Mobilist*innen einen Strom­vertrag nur für ihr Auto abschließen und einen separaten, unter­brechbaren Strom­zähler erlauben.

„E-Autos brennen gefährlicher als normale Autos“

Schweizer Forscher*innen der Eid­genössischen Material­prüfungs- und Forschungs­anstalt (Empa) haben Ende 2019 in mehreren Szenarien getestet, welche Gefahr von Akku-Bränden in Straßen­tunneln und Tief­garagen ausgeht. Hinsichtlich der größten Ängste konnten sie Entwarnung geben: Wenn ein E-Akku in Flammen aufgeht, sieht das zwar äußerst spektakulär aus, wie die Schweizer eindrücklich in einem YouTube-Video zeigen. Doch hinsichtlich der Hitze­entwicklung sei der Brand nicht gefährlicher als bei einem Auto mit konventionellem Antrieb, schreibt die Empa. Es würden im Tunnel auch nicht mehr Gifte im in der Luft frei­gesetzt als bei einem brennenden Pkw, der mit Kraft­stoff unterwegs ist. Speziell die stark ätzende und toxische Fluor­wasser­stoff­säure werde oft als Gefahr bei brennenden Batterien diskutiert. In den Versuchen der Empa blieben die Konzentrationen jedoch unter dem kritischen Bereich.

Für die geschulten Feuer­wehren ändert sich durch die Schweizer Tunnel­tests im Übrigen nichts. Die Brand­schützer wissen, dass man die Batterie eines E-Autos nicht löschen, sondern nur mit großen Mengen Wasser (bis zu 10.000 Liter) kühlen kann. So soll verhindert werden, dass das Feuer auf weitere Batterie­zellen übergreifen kann. Anschließend muss man ein solches Auto­wrack für längere Zeit in einem Wasser­becken oder Spezial­container aufbewahren, damit der Akku sich nicht erneut entzünden kann. Da das Kühl­wasser chemisch belastet ist, darf es nicht über die Kanalisation entsorgt werden. Auch der Brand­ort muss nach dem Lösch­einsatz professionell gereinigt werden.

Aber brennen E-Autos wirklich häufiger, wie manche Schlag­zeile den Eindruck erweckt? Der Versicherer AutoinsuranceEZ aus den USA hat 2022 aktuelle Zahlen dazu veröffentlicht: Von 100.000 neu zugelassenen Elektro­autos geraten statistisch gesehen 25 in Brand. Deutlich höher liegen die Zahlen bei konventionellen Autos mit 1.530 Bränden pro 100.000 und Hybriden mit 3.475 Bränden pro 100.000.

Bildnachweis:

AdobeStock_242508979
AdobeStock_184403717
AdobeStock_280231304
AdobeStock_280231361
AdobeStock_291586012
AdobeStock_387636114
 

Mehr in dieser Kategorie

Hype ums Elektroauto: Alles Lüge oder was?

Gehyptes Elektroauto: Alles bloß Lüge? So alltagstauglich sind die Stromer wirklich. Ein Faktencheck.

Jetzt lesen