Forschung sieht großes Potenzial für PV an Verkehrswegen
Davon müsste man allerdings etliche Autobahnkilometer abziehen, die für die PV-Nutzung ungeeignet sind. „Aus den technologisch sinnvoll nutzbaren Flächen ergibt sich hierzulande ein Potenzial von mindestens 72 Gigawatt zu installierender Leistung“, schätzt etwa Dr. Jonas D. Huyeng vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg. „Das ist so viel PV, wie derzeit in ganz Deutschland errichtet ist und rund ein Achtel der erforderlichen Solarstromleistung bis 2045.“ Eine große Chance also für den Mobilitätssektor, um einen Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität zu leisten, die bislang jedoch kaum Beachtung fand. Dabei sind Photovoltaik-Autobahnen schon deshalb eine coole Idee, weil dafür weniger landwirtschaftliche oder naturbelassene Flächen umgewidmet werden müssten, um Sonnenstrom zu produzieren.
Erste Solarautobahn in China
Photovoltaik lässt sich auf verschiedene Arten in Verkehrswege integrieren: entlang der Straßen in Lärmschutzwänden und Randstreifenbegrenzungen, als Überdachung oder auch direkt in Wegen und Straßen als befahrbarer Belag. 2018 eröffnete in der chinesischen Provinz Shandong auf einer Stadtautobahn die weltweit erste Teststrecke mit Solarpanelen im Straßenbelag. Der Fahrbahnabschnitt hat drei Schichten: Die oberste besteht aus einem lichtdurchlässigen, tragfähigen Material. In der Mitte befinden sich die Solarmodule und darunter noch eine Isolierschicht. Mit dem in der Fahrbahn erzeugten Strom werden Straßenlaternen, Tunnellichter, Infotafeln und Überwachungskameras betrieben. Solche Solarautobahnen sollen künftig aber auch E-Autobatterien aufladen, Schnee auf der Fahrbahn schmelzen und Internet bereitstellen können.
Solardach über der Autobahn
Auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden wird mit „Solarautobahnen“ experimentiert. Nahe der Stadt Engen in Baden-Württemberg steht ein deutsch-österreichisches Pilotprojekt in den Startlöchern. Hier soll die Ausfahrt der „Rastanlage im Hegau“ auf der A 81 versuchsweise mit Solarmodulen überdacht und mit Messtechnik ausgestattet werden. Die Lösung hat den Charme, dass hier dunkle Fläche über bereits versiegelter dunkler Fläche installiert wird. Die Landschaft wird also nicht – wie bei PV-Freiflächenanlagen auf dem Acker der Fall – zusätzlich erwärmt.
Gradlinige Lösung gesucht
Das Fraunhofer ISE will das Pilotvorhaben namens „PV-SÜD“ zusammen mit dem AIT Austrian Institute of Technology ein Jahr lang begleiten, um herauszufinden, ob sich das Solardach für den Dauerbetrieb eignet. Die Forschenden haben dafür eine effiziente Lösung entwickelt, die an sich nur an geraden Autobahnstücken montieren lässt. Bei gekrümmtem Streckenverlauf würden teure Sonderanfertigungen benötigt, die sich nicht rechnen. Die PV-Installation ist zudem nur auf einer Fahrbahnseite ausgeführt. So konnten schwarze Module mit einem sehr hohen Wirkungsgrad installiert werden, ohne dass den Autofahrer*innen zu viel Tageslicht weggenommen wird. Nach dem Test wird sich zeigen, ob sich die Kosten für die überdachte Solarautobahn durch den Nutzen rechtfertigen lassen.
Solare Lärmschutzwand an der Autobahn
In Zukunft wird der „Autobahnstrom“ an Rastplätzen und Autohöfen direkt in die Fahrzeugbatterien der E-Mobilist*innen fließen, was den Aufwand für den Netzausbau minimiert. Auch Industrie, Wohnsiedlungen und kommunale Einrichtungen in der Nähe können den Strom gleich nutzen. Bestes Beispiel: Bereits 2016 ließ die Gemeinde Neuötting in Oberbayern eine fünf Meter hohe und gut 200 Meter lange solare Schutzwand errichten, um ein Neubaugebiet nebst Schule vom Lärm einer viel befahrenen Bundesstraße abzuschirmen. Jedes der Wandsegmente besteht im unteren Bereich aus einem schallschluckenden Dämmsystem, Acrylglas-Fenstern in der Mitte und vier PV-Modulen im oberen Teil. Betreiber der Lärmschutzwand ist eine Energiegenossenschaft, die auf den ortsnahen Eigenverbrauch setzt. Einen Gutteil des Stroms der Anlage mit einer installierten Leistung von 65 Kilowatt nimmt die dahinter liegende Schule ab.
Kühne Vision: Energiebänder durch Deutschland
Sind Autobahnen die neuen Smart Grids?
In Zukunft könnten die Energieautobahnen in dem Konzept der Frankfurter auch den Strom aus anderen erneuerbaren Erzeugungsanlagen in der Umgebung einsammeln – und so zu regionalen oder überregionalen „Smart-Grids“ zusammenwachsen. Solche intelligenten Stromnetze werden zunehmend gebraucht, um die regional schwankenden Strommengen aus Sonne und Wind auszugleichen. Eine Visualisierung des Konzepts der Stiftung Altes Neuland gibt es im Internet: Film ab!
Ein spannendes Konzept hat die „Stiftung Altes Neuland Frankfurt“ entwickelt. Danach könnten in Zukunft sogenannte „Energiebänder“ unsere Autobahnen und Bundesstraßen säumen. In einer Visualisierung der Stiftung bestehen diese aus endlosen Reihen von PV-Modulen, die an Stahlmasten links, rechts und über den Verkehrsadern befestigt sind, sowie aus vereinzelten Windrädern. Kaum erzeugt, wird die grüne Energie auch schon abgenommen, sei es von Gemeinden und Industrieanlagen an der Autobahn oder Tankstellen mit Schnellladern. Stromüberschüsse werden in Batterien oder Pumpspeicherkraftwerken zwischengespeichert oder auch für die Wasserstofferzeugung genutzt. Der Charme des Konzepts: Alle Komponenten und Techniken sind schon entwickelt. Die Energiebänder benötigen nur Grund und Boden, der in öffentlicher Hand ist.
Bildquellen:
trurnit GmbH
AdobeStock_81665876
AdobeStock_217569021
AdobeStock_361103976
AdobeStock_559206525
AdobeStock_14345825
AdobeStock_283327890
AdobeStock_135138613
AdobeStock_208530127