Photovoltaik an der Autobahn:
Das Potenzial ist riesig

Photo­voltaik an Auto­bahnen könnte das Flächen­problem beim Ausbau der Solar­energie in Deutschland lösen. Denn so viel ist klar: Um bis 2045 unseren gesamten Energie­bedarf aus erneuer­baren Energien zu decken, ist ein massiver Ausbau der installierten Photo­voltaik­leistung nötig. Deshalb soll nach einem Beschluss der Bundes­regierung künftig kein Meter neue Auto­bahn mehr ohne Photo­voltaik (PV) geplant werden.

Fünf Prozent der Fläche Deutsch­lands wird für die Mobili­tät genutzt, die Hälfte davon sind Straßen. Allein die rund 13.200 Kilo­meter Auto­bahnen in Deutsch­land ergeben zusammen eine Fläche von knapp 340 Quadrat­kilometern. Würde man diese mit Solar­panelen überdachen, entstünde ein Sonnen­kraftwerk von der Größe der Stadt Bremen.  

 

Solarfläche neben einer Autobahn
Fahrendes Auto Hände an Lenkrad
Solar an Laternenmasten neben der Straße

Forschung sieht großes Potenzial für PV an Verkehrswegen

Davon müsste man allerdings etliche Auto­bahn­kilometer abziehen, die für die PV-Nutzung unge­eignet sind. „Aus den tech­nolo­gisch sinnvoll nutz­baren Flächen ergibt sich hier­zulande ein Poten­zial von mindes­tens 72 Giga­watt zu installierender Leistung“, schätzt etwa Dr. Jonas D. Huyeng vom Fraun­hofer-Institut für Solare Energie­systeme ISE in Freiburg. „Das ist so viel PV, wie derzeit in ganz Deutschland errichtet ist und rund ein Achtel der erforderlichen Solar­strom­leistung bis 2045.“ Eine große Chance also für den Mobilitäts­sektor, um einen Beitrag auf dem Weg zur Klima­neutralität zu leisten, die bislang jedoch kaum Beachtung fand. Dabei sind Photo­voltaik-Auto­bahnen schon deshalb eine coole Idee, weil dafür weniger landwirt­schaftliche oder natur­belassene Flächen umge­widmet werden müssten, um Sonnen­strom zu produ­zieren.

Erste Solarautobahn in China

Anmutung Solarautobahn im Fahrbelag

Photo­voltaik lässt sich auf verschie­dene Arten in Verkehrs­wege integrieren: entlang der Straßen in Lärm­schutz­wänden und Rand­streifen­begrenzungen, als Über­dachung oder auch direkt in Wegen und Straßen als befahr­barer Belag. 2018 eröffnete in der chine­sischen Provinz Shandong auf einer Stadt­autobahn die weltweit erste Test­strecke mit Solar­panelen im Straßen­belag. Der Fahr­bahn­abschnitt hat drei Schichten: Die oberste besteht aus einem licht­durch­lässigen, trag­fähigen Material. In der Mitte befinden sich die Solar­module und darunter noch eine Isolier­schicht. Mit dem in der Fahr­bahn erzeugten Strom werden Straßen­laternen, Tunnel­lichter, Info­tafeln und Über­wachungs­kameras betrieben. Solche Solar­auto­bahnen sollen künftig aber auch E-Auto­batterien auf­laden, Schnee auf der Fahr­bahn schmelzen und Internet bereit­stellen können.

Fietsweg: Watt im Belag

Der welt­weit längste Solar-Radweg wurde 2021 in der nieder­ländischen Provinz Utrecht eröffnet. Radler*innen können hier 330 Meter weit durch die Sonne fahren, während der Weg unter ihren Reifen Strom erzeugt. Auf der Ober­fläche wurde ein robuster licht­durch­lässiger Kunststoff montiert, so gelangt das Sonnen­licht zu den Solar­modulen im Beton darunter. Der Solar­radweg versorgt bis zu 40 Haushalte mit Strom und sorgt für Licht auf dem Fiets­weg. Das Projekt übertraf alle Erwartungen. Inzwischen gibt es weitere Solar- Fiets­pads in unserem Nach­barland.

Junge mit Fahrradhelm auf Rad von unten fotografiert

Solardach über der Autobahn

Auch in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Nieder­landen wird mit „Solar­autobahnen“ experimen­tiert. Nahe der Stadt Engen in Baden-Württem­berg steht ein deutsch-öster­reichisches Pilot­projekt in den Start­löchern. Hier soll die Aus­fahrt der „Rast­anlage im Hegau“ auf der A 81 versuchs­weise mit Solar­modulen überdacht und mit Mess­technik ausge­stattet werden. Die Lösung hat den Charme, dass hier dunkle Fläche über bereits versie­gelter dunkler Fläche installiert wird. Die Land­schaft wird also nicht – wie bei PV-Frei­flächen­anlagen auf dem Acker der Fall – zusätz­lich erwärmt.

Gradlinige Lösung gesucht

Das Fraun­hofer ISE will das Pilot­vorhaben namens „PV-SÜD“ zusammen mit dem AIT Austrian Institute of Technology ein Jahr lang begleiten, um heraus­zufinden, ob sich das Solar­dach für den Dauer­betrieb eignet. Die Forschenden haben dafür eine effiziente Lösung ent­wickelt, die an sich nur an geraden Auto­bahn­stücken montieren lässt. Bei gekrümmtem Strecken­verlauf würden teure Sonder­anferti­gungen benötigt, die sich nicht rechnen. Die PV-Installation ist zudem nur auf einer Fahr­bahn­seite aus­geführt. So konnten schwarze Module mit einem sehr hohen Wirkungs­grad installiert werden, ohne dass den Auto­fahrer*innen zu viel Tages­licht weg­genommen wird. Nach dem Test wird sich zeigen, ob sich die Kosten für die über­dachte Solar­autobahn durch den Nutzen recht­fertigen lassen.

Autobahnseite ist überdacht, oben Solar

Solare Lärmschutzwand an der Autobahn

In Zukunft wird der „Auto­bahn­strom“ an Rast­plätzen und Auto­höfen direkt in die Fahr­zeug­batterien der E-Mobilist*innen fließen, was den Auf­wand für den Netz­ausbau minimiert. Auch Industrie, Wohn­siedlungen und kommunale Ein­richtungen in der Nähe können den Strom gleich nutzen. Bestes Beispiel: Bereits 2016 ließ die Gemeinde Neu­ötting in Ober­bayern eine fünf Meter hohe und gut 200 Meter lange solare Schutz­wand errichten, um ein Neu­bau­gebiet nebst Schule vom Lärm einer viel befahrenen Bundes­straße abzu­schirmen. Jedes der Wand­segmente besteht im unteren Bereich aus einem schall­schluckenden Dämm­system, Acrylglas-Fenstern in der Mitte und vier PV-Modulen im oberen Teil. Betreiber der Lärm­schutzwand ist eine Energie­genossen­schaft, die auf den orts­nahen Eigen­verbrauch setzt. Einen Gutteil des Stroms der Anlage mit einer installierten Leistung von 65 Kilo­watt nimmt die dahinter liegende Schule ab.

 

Kühne Vision: Energiebänder durch Deutschland

Sind Autobahnen die neuen Smart Grids?

In Zukunft könn­ten die Energie­auto­bahnen in dem Konzept der Frank­furter auch den Strom aus anderen erneuer­baren Er­zeugungs­anlagen in der Um­gebung ein­sammeln – und so zu regio­nalen oder über­regionalen „Smart-Grids“ zusammen­wachsen. Solche intelli­genten Strom­netze werden zu­nehmend gebraucht, um die regional schwan­kenden Strom­mengen aus Sonne und Wind aus­zu­gleichen. Eine Visu­ali­sierung des Konzepts der Stiftung Altes Neu­land gibt es im Internet: Film ab!

Nahaufnahme Solarpanel

Ein spannen­des Konzept hat die „Stiftung Altes Neuland Frankfurt“ ent­wickelt. Danach könnten in Zukunft sogenannte „Energie­bänder“ unsere Auto­bahnen und Bundes­straßen säumen. In einer Visuali­sierung der Stif­tung bestehen diese aus end­losen Reihen von PV-Modulen, die an Stahl­masten links, rechts und über den Verkehrs­adern befestigt sind, sowie aus vereinzelten Wind­rädern. Kaum erzeugt, wird die grüne Energie auch schon abge­nommen, sei es von Gemeinden und Industrie­anlagen an der Auto­bahn oder Tank­stellen mit Schnell­ladern. Strom­über­schüsse werden in Batterien oder Pump­speicher­kraft­werken zwischen­gespeichert oder auch für die Wasser­stoff­erzeugung genutzt. Der Charme des Konzepts: Alle Kompo­nenten und Techniken sind schon entwickelt. Die Energie­bänder benötigen nur Grund und Boden, der in öffent­licher Hand ist.

Photovoltaik an der Autobahn A 7

An der A7 bei Hanno­versch Münden in Nieder­sachsen können Auto­fahrer der Energie­zukunft beim Wachsen zuschauen: Im September 2022 sind die dortigen Versor­gungs­betriebe mit dem Bau eines Solar­kraft­werks mit einer Gesamt­leistung von 3,5 Mega­watt gestartet. Mehr als 9.000 Solar­module sollen sich an der Auto­bahn entlang­ziehen und künftig Strom für rund 1.000 Haus­halte erzeugen.

 

Autobahnschild A 7

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