Gigantische Erdgas-Mengen gehen auf Weltreise
Die spezialisierten LNG-Tanker transportieren ihre Fracht in kugelförmigen Tanks. Im Schnitt können sie um die 120.000 bis 145.000 Kubikmeter flüssiges Erdgas laden; in Zukunft plant man eher mit 250.000 Kubikmeter. Da reicht eine Lieferung aus, um eine Großstadt mit allen Haushalten, Gewerbe und Industrie bis zu ein Jahr lang mit Energie zu versorgen. Am Bestimmungsort wird das Gas erwärmt und in seinen ursprünglichen Aggregatzustand zurückversetzt, sprich: regasifiziert, und in das Erdgas-Fernleitungsnetz eingespeist. Das Verflüssigen, der Transport und die Regasifizierung kosten allerdings Energie – und damit Geld. Schon vor dem Krieg in der Ukraine und dem russischen Gaslieferstopp war LNG um etwa ein Drittel teurer als Pipeline-Gas.
Erstes schwimmendes LNG Terminal im Eiltempo gebaut
Derzeit gibt es in Großbritannien, im Nordwesten Europas sowie an den Küsten im Mittelmeer LNG-Terminals. Unsere Nachbarn, die Niederlande, Belgien, Frankreich und Polen, verfügen ebenfalls über Importterminals. Deutschland setzt beim Ausbau seiner LNG-Infrastruktur vorübergehend auf gecharterte schwimmende Terminals – sogenannte „Floating Storage and Regasification Units“ (FSRU). Das sind spezielle Schiffe, die das Flüssigerdgas der LNG-Tanker sowohl speichern als auch regasifizieren können. Ihr größter Vorzug aber ist das Tempo, mit dem sie Flüssigerdgas für den hiesigen Markt verfügbar machen. Der erste Anleger für LNG in Wilhelmshaven wurde in weniger als 200 Tagen fertiggestellt und war im Dezember 2022 betriebsbereit. Hier wird das gecharterte Terminalschiff „Höegh Esperanza“ als Floating Unit genutzt. Über eine Pipeline liefert es täglich etwa 15 bis 155 Gigawattstunden Erdgas an den Gasspeicher Etzel.
Wie viele LNG Terminals hat Deutschland?
In Zukunft plant die Bundesregierung mit drei festen LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Stade (beide Niedersachsen) und Brunsbüttel (Schleswig-Holstein). Diese zu bauen dauert allerdings ein paar Jahre, sodass diese Anlagen frühestens 2025 in Betrieb gehen können. Für den Übergang sollen sechs schwimmende Terminals (Floating Units) genutzt werden, fünf staatliche und ein privatwirtschaftliches. In Wilhelmshaven, Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) und Brunsbüttel sind bereits jeweils ein LNG-Terminal im Regelbetrieb. Die restlichen sollen bereits Ende 2023 in Betrieb genommen werden: Jeweils ein zuätzliches in Wilhelms|haven und Lubmin sowie das erste Floating Unit in Stade. Dann soll bis zu einem Drittel des bisherigen Gasbedarfs über schwimmende LNG-Terminals gedeckt werden.
Pipelines und Erdgasspeicher weiterhin wichtig
Trotz vielfältiger Möglichkeiten, LNG zu importieren, wird Pipelinegas auch in Zukunft ein wichtiger Baustein der deutschen Gasversorgung bleiben. Statt aus Russland importiert die Gasindustrie heute vermehrt Erdgas über Rohrleitungen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Ein kleinerer Teil stammt zudem aus deutschen Gasquellen. Wegen dieser Importe und der großen Sparanstrengungen der Haushalte und Unternehmen waren die deutschen Gasspeicher trotz des russischen Lieferstopps schon im November 2022 komplett gefüllt. Mitte Februar wurden immer noch Füllstände von 71 Prozent gemessen. Mit rund 24 Milliarden Kubikmetern Erdgas in 47 Untertagespeichern hat Deutschland die größten Lagerkapazitäten in Europa. Diese Reserven sind essenziell für die Gasversorgung im Winter, weil sie die Nachfragespitzen in Kältephasen ausgleichen. Mit Gas aus den neuen LNG-Terminals wird die Versorgungssicherheit nochmals besser.
LNG hilft, Erdgasbezug breiter zu streuen
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Energieversorgung auf möglichst breite Füße zu stellen und sich nicht von einzelnen Lieferländern abhängig zu machen. Die LNG-Nutzung ist eine – wenn auch verhältnismäßig teure – Möglichkeit, mit mehr Lieferanten in verschiedenen Ländern zusammenzuarbeiten und so die Risiken für die Gasversorgung zu streuen.
Haben LNG-Terminals eine grüne Zukunft?
Nach den Plänen der Bundesregierung sollen die LNG-Terminals, die später auf dem Festland gebaut werden, bereits „green gas ready“ sein. Bedeutet: Statt fossilem Erdgas könnten an deutschen Küsten bald auch grüner Wasserstoff und andere erneuerbaren Gase anlanden. Dazu wären allerdings teils erhebliche technische Anpassungen nötig, wie das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in einer Studie festgestellt hat. Die Umrüstung von Teilen der LNG-Terminals sei machbar, aber nur, wenn diese schon bei der Planung berücksichtigt würden.
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