Lichtverschmutzung kurz erklärt
1881 präsentierte Thomas Edison auf der ersten „internationalen Ausstellung für Elektrizität“ in Paris seine elektrische Glühbirne. Seither hat sich künstliches Licht weltweit ausgebreitet. Nahezu überall machen wir wortwörtlich die Nacht zum Tag – in Dörfern, Städten und sogar in der freien Natur. Gibt es in einem Gebiet dauerhaft keine vollkommene Dunkelheit mehr, spricht man von Lichtverschmutzung. Verantwortlich dafür sind sogenannte Lichtimmissionen: Wir verursachen sie, indem wir mit künstlichen Lichtquellen den Nachthimmel erhellen. Vor allem Abstrahlung nach oben streut das Licht in die Luftschichten unserer Atmosphäre und lässt zum Teil riesige Lichtglocken entstehen.
Notwendigkeit und Luxus
Sicherheit und Orientierung, aber auch Werbung, abendliche oder nächtliche Freizeitangebote wie Fußballspiele und Open-Air-Konzerte sowie die Inszenierung von Flächen und Gebäuden: Künstliches Licht dient vielfältigen Zwecken; wirklich nötig ist es längst nicht immer. Kritische Stimmen sprechen gar von Verschwendung – von einem „Beleuchtungswahnsinn“, der unsere Nächte immer heller werden lässt. Weltweit wächst die Lichtverschmutzung pro Jahr um 2–3%, in Europa sogar um 5–6%. Völlige Dunkelheit kennen Menschen besonders in den Industrienationen kaum noch.
Warum ist heller schlechter?
Dass über 50% der Europäer*innen nachts die Milchstraße nicht mehr sehen können, ist eine der harmloseren Folgen der Lichtverschmutzung. Schwerer wiegen die Konsequenzen für die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze. Sie ergeben sich vor allem daraus, dass der Rhythmus von Tag und Nacht seit mehr als 3,5 Milliarden Jahren das Leben auf der Erde bestimmt. Bei fast allen Organismen sind viele lebenswichtige Prozesse eng damit verbunden. Kunstlicht bei Nacht bringt diese Ordnung aus dem Gleichgewicht.
Sehen Sie selbst
Möchten Sie mit eigenen Augen sehen, wie sich die Beleuchtungssituation in den letzten Jahrzehnten verändert hat? Die Lichtverschmutzungskarte der Paten der Nacht macht’s möglich. Mithilfe eines Schiebereglers können Sie die verschiedenen Helligkeitsgrade in Europa von 1992 bis 2010 vergleichen.
Insektenfalle Licht
Vor allem nachtaktive Insekten brauchen den Wechsel zwischen Helligkeit und natürlichen – also wirklich dunklen – Nächten.
Kunstlicht erschwert die Orientierung, lenkt einige Insekten ab und zieht andere über mehrere hundert Meter hinweg an. Insbesondere kaltweißes und bläuliches Licht wirkt auf manche Arten geradezu magnetisch. Experten schätzen, dass jeden Sommer Milliarden von Insekten an unseren Straßenlaternen sterben – an Erschöpfung, durch Verbrennen oder durch ebenfalls angelockte Feinde. So entfallen sie als Nahrung für andere nachtaktive Tiere wie Eulen, Spitzmäuse, Fledermäuse oder Igel. Zugleich fehlen sie bei der Bestäubung von Pflanzen, was zu Ernteausfällen führen kann.
Info-Spot
Über 3.000 Schmetterlingsarten gibt es in Deutschland. Mehr als 90% von ihnen sind nachtaktiv und deshalb unmittelbar von Lichtverschmutzung betroffen.
Folgenschwere Irritation
Lichtverschmutzung stört den natürlichen Wachstumszyklus der Pflanzen; Zugvögel und Fischschwärme kann sie die Orientierung und damit das Leben kosten. Bei Menschen wirkt sich zu viel helles, vor allem aber bläuliches Licht auf den Hormonhaushalt aus. Das Schlafhormon Melatonin wird verzögert ausgeschüttet, sodass wir später einschlafen, schlecht aufwachen und insgesamt zu wenig Ruhe finden. Das beeinträchtigt Lern- und Leistungsfähigkeit sowie unser Immunsystem. Werden Schlafstörungen chronisch, können sie zu schweren gesundheitlichen Problemen wie Bluthochdruck, Diabetes und Krebserkrankungen beitragen. Israelische Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass das Brust- oder Prostatakrebsrisiko mit dem Ausmaß der Lichtverschmutzung zunimmt.
Das Hormon Melatonin ist wichtig für das Immunsystem, Anti-Aging und Krebsprävention. Seine körpereigene Herstellung steigt mit Einbruch der Dunkelheit bis etwa 2 Uhr morgens stetig an und sinkt danach wieder ab.
Setzen wir uns in dieser Zeit künstlichem Licht aus, wird die Produktion vorübergehend eingestellt.
Was unternimmt die Politik?
Um die Lichtverschmutzung zu verringern, gibt es die Licht-Richtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz. Daneben bestehen weitere Empfehlungen und Leitlinien. In Nordrhein-Westfalen hat das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Informationen zum Thema Licht auf einer eigenen Seite zusammengefasst. Hier finden Sie auch den Runderlass „Lichtimmissionen, Messungen, Beurteilung und Verminderung" zum Download: Er soll bei der Einschätzung helfen, wann künstliche Beleuchtung zur schädlichen Umwelteinwirkung wird.
„Sechs Richtige“ in Sachen Licht
Auch wir als Bürger*innen können dazu beitragen, Lichtverschmutzung einzudämmen. Ob am Haus oder im Garten – wenn wir diese sechs Regeln zur Außenbeleuchtung beachten, ist schon viel erreicht:
So viel wie nötig:
Wir brauchen Licht, um uns zurechtzufinden und sicher unterwegs zu sein. Als Deko richtet es vor allem im Garten nur Schaden an.
Am besten schwach:
Die Helligkeit von Leuchten wird in Lumen angegeben und sollte möglichst gering sein. Selbst mehrere schwache Lichtquellen sind besser als eine sehr helle Lampe.
Die Richtung muss stimmen:
Kunstlicht sollte keinesfalls nach oben abstrahlen. Das erreichen Sie zum Beispiel mit geschirmten Gehäusen.
Farbe bekennen:
Je gelber das Licht, desto geringer der Schaden für Mensch und Natur.
Nicht hoch hinaus:
Wenn Sie Lampen niedriger hängen, sinken Blendwirkung und Lichtstreuung.
Kurz ist gut:
Machen Sie nicht mehr oder länger Licht, als Sie wirklich brauchen. Dabei helfen Bewegungsmelder und Zeitschaltuhren.
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