Was macht ein Energiehändler?
Wir als Privatpersonen wissen ungefähr, was wir im Jahr an Strom verbrauchen. Diese Mengen kennt auch unser Versorger und kauft sie weit im Voraus ein. Aber was ist, wenn es plötzlich mehrere Wochen sehr heiß wird: wir, wie sehr viele andere, Klimageräte und Zusatzkühlschränke anschaffen und der Stromverbrauch unerwartet stark steigt? Dann muss auch der Versorger handeln und den benötigten „Mehr“-Strom dazukaufen – schnell und möglichst zu einem guten Preis. Oder verkaufen – wenn wir alle zu Sparfüchsen werden und Strom „übrig“ ist. Der Ort für Kauf und Verkauf von Strom ist die Strombörse. Natürlich ist es in Wirklichkeit viel komplizierter und als Energieversorger müssen wir tagtäglich unsere Mengen und Bedarfe und auch die Strompreise im Blick haben.
Einer unserer Fachleute dafür ist Guido Buschmeier. Er kümmert sich im Laufe seines Arbeitstages um die Kalkulation von Großkundenanfragen nach Strom. Wie viel muss Erenja am Ende des Tages beschaffen und zu welchem Preis kann der Einkauf realisiert werden? Bei dieser Planung spielen die Begriffe Terminmarkt sowie Spotmarkt eine wichtige Rolle. Doch dazu später mehr.
Was passiert an der Strombörse?
Früher war es ganz einfach: Die Stromerzeuger haben ihren Strom in der Regel direkt an die Nutzer verkauft. Nachteil: Sie hatten in „ihrem“ Gebiet eine Alleinstellung, es gab keinen Wettbewerb. Das sollte im modernen Europa ganz anders werden und darum wurden ab 2008 die Energienetze und der Energieverkauf getrennt. Seitdem wird auch Strom unabhängig vom Leitungsnetz verkauft – und die Anbieter konkurrieren untereinander. Den Strom, den sie zur Versorgung benötigen, müssen sie einkaufen. Und damit dies einfach und nachvollziehbar geschehen kann, wurde eine Strombörse für Deutschland und den europäischen Markt eingeführt – die EEX (European Energy Exchange) mit Sitz in Leipzig. Buschmeier erklärt uns die Strombörse so: Eine Börse ist allgemein gesagt ein Marktplatz, der Käufer*innen und Verkäufer*innen einer Ware zusammenbringt, damit sie handeln und eventuell ein Geschäft abschließen können.
Damit dieser organisierte Handel reibungslos abläuft, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine davon ist, dass die Qualität der Handelsware standardisiert ist. Nur so können die gehandelten Waren – in unserem Fall die Strompakete – miteinander verglichen werden. Das bedeutet, dass zwar der Preis nicht direkt zu Beginn des Handels feststeht, aber die Beschaffenheit der Ware. Über den Preis dieser Strompakete gilt es dann an der Strombörse zu verhandeln. Die Zusammensetzung des Stroms, mit dem an der Strombörse gehandelt wird, entspricht dem deutschen Strommix aus fossilen und erneuerbaren Energiequellen.
Alles online – auch bei der Strombörse
Wir haben Buschmeier gefragt, ob man sich die Strombörse wie die Aktienbörse vorstellen muss: große Anzeigetafeln mit vielen Zahlen, Parketthandel und jede Menge Hektik? Er verneint: “Es gibt an der Strombörse keinen Parketthandel. Alle Geschäfte werden ausschließlich elektronisch gemacht.” Aber es gibt wie an der Wertpapierbörse Broker, die versuchen, die Handelspartner zusammen zu bringen. Der Kontakt zu diesen Vermittlern kommt heutzutage in der Regel über Onlineplattformen zustande.
Der größte Unterschied zum Börsenhandel mit anderen Waren liegt darin, dass man Strom nicht auf Vorrat kaufen kann. Strom ist nicht speicherbar und die Strommengen sind zeitlich begrenzt, daher müssen Produktion und Verbrauch jederzeit ausgeglichen sein. Ansonsten könnte es im schlimmsten Fall zu einem Blackout kommen.
Wer nimmt an der Strombörse teil?
Die Marktteilnehmer der Strombörse lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Stromversorger:
Sie versuchen, den Strom möglichst günstig für den Bedarf ihrer Kund*innen an der Strombörse einzukaufen. Bei den Stromversorgern kann es sich um Stadtwerke, Stadtwerke-Kooperationen oder lokale Energieversorger handeln.
Stromproduzenten:
Ihr Ziel ist es, die Stromproduktion durch den Verkauf von Strom abzusichern. Dabei handelt es sich um die großen Stromkonzerne RWE, E.ON, Vattenfall oder EnBW. Es sind jedoch auch europäische Energiekonzerne wie EDF aus Frankreich, Statkraft aus Norwegen oder Verbund aus Österreich an der EEX aktiv.
Spekulanten:
Sie versuchen, durch den Kauf und Verkauf von Strom an der Strombörse Gewinne zu erzielen. Typische Unternehmen sind Investmentbanken, Fonds, aber auch Mineralölkonzerne mit Stromvertrieb.
Lang- und kurzfristiger Stromhandel: Terminmarkt und Spotmarkt
An der Strombörse wird mit Strom sowohl für einen kürzeren Zeitraum als auch für einen längeren Zeitraum gehandelt. Als Energiehändler spricht man vom Spotmarkt und vom Terminmarkt. Doch was bedeutet das?
Spotmarkt
Am Spotmarkt wird 365 Tage im Jahr mit Strom gehandelt. Der Handelshorizont erstreckt sich hier nur über wenige Tage. Man kauft dort also den Strom, den man für die nächsten Tage benötigt und der einem, nachdem man am Terminmarkt längst gekauft hat, noch fehlt. Im Unterschied zum Terminmarkt können hier auch relativ kleine Mengen gehandelt werden. Dabei kann es sich um Stunden- aber auch Viertelstundenangebote handeln. Der Spotmarkt hilft dem Händler, seine Strommenge gezielt aufzustocken, sodass am nächsten Tag genug Strom vorhanden ist.
Terminmarkt
Am Terminmarkt handelt man mit Strom für die nächsten vier Jahre. Das heißt, man geht ein Termingeschäft ein, bei dem der Preis fixiert wird und die Liefer- sowie Abnahmeverpflichtungen in der Zukunft liegen. Eine exakte Strommenge für den jeweiligen Tag in der Zukunft kennt man zu diesem Zeitpunkt noch nicht – aber man weiß ja ungefähr, was die Kunden üblicherweise verbrauchen.
Für den tagesaktuellen Ausgleich benötigt man darum zusätzlich den sogenannten Spotmarkt.
Die Strommenge, die am Ende bei den Kund*innen ankommt, ist also ein Mix aus Terminmarkteinkäufen und gezielten, kurzfristigen Zukäufen auf dem Spotmarkt, kurz bevor man den Strom benötigt.
An der Strombörse wird der Strompreis, wie an jeder anderen Börse auch, durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Preisschwankungen am Spotmarkt fallen mitunter sehr stark aus. Das Angebot für Strom wird vor allem durch unser Klima beeinflusst (Windaufkommen und Sonneneinstrahlung hängen von Wetter und Jahreszeit ab) sowie durch die Verfügbarkeit von konventionell erzeugter Energie aus Atom-, Kohle- oder Gaskraftwerken.
Die Nachfrage hängt dagegen sehr von der Konjunktur ab. “Während des Corona-Lockdowns im März und April 2020 ging die Nachfrage in der Industrie stark zurück, wodurch der Preis sank“, erinnert sich Buschmeier. Aber auch Jahreszeiten und Wetter haben Einfluss: In den dunklen Monaten benötigen wir mehr Strom für Beleuchtung, bei Hitzewellen hingegen laufen die Klimaanlagen auf Hochtouren.
Ein weiterer Faktor beim Strompreis sind die Brennstoffpreise für Gas und Kohle sowie der Preis für die CO2-Zertifikate.
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