Schwammstadt-Konzept hilft Bäumen
Bäume in der Stadt müssen eine Menge aushalten: vom Asphalt eingezwängt, von Autos umtost – und gerne pinkeln Hunde an ihren Stamm. Auch im Untergrund haben sie Stress. Den Raum für ihre Wurzeln müssen Stadtbäume sich in Konkurrenz mit Leitungen und Kanälen schwer erkämpfen. Hinzu kommt, dass es in der Stadt immer öfter heiß und trocken ist. Das Regenwasser kann im dichten Boden nicht gespeichert werden, damit die Bäume längere Hitzeperioden gut verkraften. Hier knüpft das Schwammstadt-Konzept an: Es hilft den Bäumen, mit extremen Bedingungen besser klarzukommen, und nützt so auch uns Menschen. Denn Bäume sind wahre Hitzeblocker in der Stadt: Sie spenden Schatten und kühlen durch Verdunstung des Wassers über ihre Blätter die Umgebung.
Von der Wurzel an gestärkt
Das Problem: Im dichten Untergrund erhalten die Wurzeln der Stadtbäume oft nicht ausreichend Nährstoffe, Wasser und Luft. Irgendwann kommt das Wachstum zum Stillstand oder die Bäume verkümmern, weil sie nicht weiter wurzeln können. Will man eine Schwammstadt errichten, pflanzt man sie deshalb in einen speziellen Untergrund aus durchlässigem Substrat, das wie ein Schwamm Regenwasser aufnimmt und gut speichert. In den Hohlräumen solcher „Baum-Rigolen“ können die Stadtbäume besser wurzeln und ihre Kronen üppiger wachsen. Und je größer sein Blätterdach im Sommer, desto klimaaktiver ist der Baum. Die unterirdisch angelegten Speicherräume versorgen das gestresste Stadtgrün gezielter und länger mit Regenwasser und dienen zugleich als Überflutungsschutz. Eine klassische Win-win-Strategie. Oder ganz oldschool „zwei Fliegen mit einer Klappe“.
Schwammstadt: Beispiel „Sponge City” Kopenhagen
Das Ziel des Schwammstadt-Konzepts ist es, das Niederschlagswasser dort zwischenzuspeichern, wo es fällt. Die Stadt soll saugfähig sein wie ein Schwamm.
Das große Vorbild und eine Inspiration für viele andere Städte ist Kopenhagen. Die dänische Metropole nahm mehrere Starkregenereignisse nach Beginn des Jahrtausends zum Anlass, sich vor Überflutung besser zu schützen. Speziell angelegte Straßen leiten nun das Niederschlagswasser oberirdisch ab oder halten es temporär zurück. Plätze dienen bei Wolkenbrüchen als Rückhaltebecken, neu begrünte und entsiegelte Straßen sorgen für mehr Versickerungsflächen. In Schwammstadt-Quartieren wird das Regenwasser in einer ganzen Kaskade an Maßnahmen dezentral bewirtschaftet: Begrünte Dächer oder Hausfassaden halten den Niederschlag zurück, dann fließt er verzögert in ebenfalls begrünte Versickerungsmulden oder eben in Baum-Rigolen.
Kirche in Gelsenkirchen ohne Kanalanschluss
Unter Klimaschutz Lukaskirche lesen Sie, wie auch kleine Projekte das städtische Mikroklima verbessern.
Das Konzept ist also das genaue Gegenteil von Hightech und lässt sich in neu geplanten Quartieren vergleichsweise leicht umsetzen. In Bestandsvierteln, also in den allermeisten Fällen, müsste die Schwammstadt allerdings aufwendig nachgerüstet werden. Die Lukaskirche im Gelsenkirchener Stadtteil Hassel zeigt, wie das im kleinen Maßstab gehen kann: Das Regenwasser, das bislang von den Dächern der Kirche, des Kirchturms und des überdachten Vorplatzes einfach so in der Kanalisation verschwand, wird nun über Mulden und Rinnen abgeleitet, kann im Boden versickern und bewässert die Bäume auf dem Kirchengelände. Das ist gut fürs Mikroklima im Quartier und spart obendrein Abwasserkosten.
Blau-grüne Vision für Emscher-Städte
Die Lukaskirche ist ein Vorzeigeprojekt der „Zukunftsinitiative Klima.Werk“. Darin haben sich 16 Städte entlang der Emscher zusammengeschlossen mit dem Ziel, die Region klimaresilienter zu machen, darunter Gelsenkirchen, Castrop-Rauxel, Recklinghausen und weitere. Im Sommer 2023 hat Klima.Werk ein Bürgertelefon eingerichtet. Hier gibt es für die Bewohner der mitmachenden Kommunen Beratung rund um das Thema Gründach und das „10.000 Grüne Dächer“-Förderprogramm der Emschergenossenschaft.
Pocketparks – Stadtgrün im Westentaschenformat
Auch „Pocketparks“ helfen dabei, das Mikroklima in der Stadt zu verbessern. Das sind kleine Grünanlagen mitten in der Stadt, die zum Verweilen einladen und als nachbarschaftlicher Treffpunkt für Groß und Klein dienen, sozusagen als Erweiterung der eigenen vier Wände. 2022 startete auch die Stadt Gelsenkirchen ihr erstes Projekt in Schalke. Um die Gemüsebeete an der Poensgenstraße kümmern sich die Schüler*innen der benachbarten Regenbogenschule unter gärtnerischer Anleitung. Gurken, Tomaten, Radieschen und Zucchinis gedeihen unter der Devise „Hier wächst Wissen“. Nach einem Ratsbeschluss sollen Pocketparks in allen Gelsenkirchener Bezirken entstehen. Dafür stellen entweder die Stadt oder private Eigentümer*innen Freiflächen zur Verfügung, die in Spielflächen, Hochbeete oder Kräutergärten verwandelt und von Anrainern genutzt und gepflegt werden sollen.
Mit dem Garten hoch hinaus
Brachflächen, Baulücken und ungenutzte versiegelte Flächen sind wie geschaffen für die Anlage solcher Grüninseln, die überdies Insekten und Vögeln in der Stadt Nahrung bieten. Wo die Baulücken knapp sind, wie in den großen Metropolen, lassen sich stattdessen auch ganze Gärten und Parks auf Dächer pflanzen. Ein Beispiel: der alte Hochbunker im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Seit Ende 2022 wächst auf dem Betonkoloss in 58 Metern Höhe ein öffentlicher Dachgarten. Fast 5.000 Bäume, Sträucher und Kletterpflanzen verwandeln den grauen Würfel in eine blühende Oase.
Schwammstadt-Konzept
Fazit: Eine grünere Stadt mit Schwammeffekt macht das Leben in der Stadt angenehmer, grüner und gesünder. Auf jeden Fall muss ein Fehler aus der Vergangenheit vermieden werden: nämlich, in großem Maßstab Flächen zu versiegeln, die deshalb kein Wasser aufnehmen können.
Auch Springbrunnen, Teiche und Brunnen helfen gegen Hitze in der Stadt. Und weniger Autos: Statt mit Stellplätzen könnte man Straßen mit begrünten Versickerungsmulden ausstaffieren. Für den fahrbaren Untersatz müssten dann Quartiersgaragen gebaut werden, um auf kleinem Raum möglichst viele Stellplätze unterzubringen, damit wieder mehr Platz für Grün in der Stadt ist. Das erfordert allerdings Akzeptanz und eine hohe Veränderungsbereitschaft der Bewohner*innen.
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Stadt Bochum, Pressestelle
GELSENWASSER AG
Erenja AG & Co. KG