Erenja für Privatkunden
Grafische Darstellung der Funktion einer Schwammstadt

Schwammstadt-Konzept

Win-win gegen Hitze und Stark­regen in NRW

Schwammstadt-Konzept: Was hat es damit auf sich?

„Unwetter in NRW: A40 wegen Über­flutung gesperrt” – an Schlag­zeilen wie diese werden wir uns wohl oder übel gewöhnen müssen. Denn mit fort­schreitender Erd­er­wärmung wird es in unserem Land nicht nur immer heißer und trockener, sondern auch die Stark­regen­ereignisse nehmen zu. Schnell sind die Kanalisationen mit den gewaltigen Nieder­schlags­mengen überfordert und es kommt örtlich zu Über­schwemmungen. Viele Städte in NRW wollen daran etwas ändern und orientieren sich dabei am „Schwamm­stadt-Konzept“. Erenja erklärt, wie es funktioniert.

Stadtbild mit Strasse und Bäumen

Schwammstadt-Konzept hilft Bäumen

Bäume in der Stadt müssen eine Menge aushalten: vom Asphalt einge­zwängt, von Autos umtost – und gerne pinkeln Hunde an ihren Stamm. Auch im Unter­grund haben sie Stress. Den Raum für ihre Wurzeln müssen Stadt­bäume sich in Konkurrenz mit Leitungen und Kanälen schwer erkämpfen. Hinzu kommt, dass es in der Stadt immer öfter heiß und trocken ist. Das Regen­wasser kann im dichten Boden nicht gespeichert werden, damit die Bäume längere Hitze­perioden gut verkraften. Hier knüpft das Schwamm­stadt-Konzept an: Es hilft den Bäumen, mit extremen Bedingungen besser klar­zukommen, und nützt so auch uns Menschen. Denn Bäume sind wahre Hitze­blocker in der Stadt: Sie spenden Schatten und kühlen durch Verdunstung des Wassers über ihre Blätter die Umgebung.

Bild eines Baumes im Straßenpflaster

Von der Wurzel an gestärkt

Das Problem: Im dichten Unter­grund erhalten die Wurzeln der Stadt­bäume oft nicht ausreichend Nähr­stoffe, Wasser und Luft. Irgend­wann kommt das Wachstum zum Still­stand oder die Bäume verkümmern, weil sie nicht weiter wurzeln können. Will man eine Schwamm­stadt errichten, pflanzt man sie deshalb in einen speziellen Unter­grund aus durch­lässigem Substrat, das wie ein Schwamm Regen­wasser aufnimmt und gut speichert. In den Hohl­räumen solcher „Baum-Rigolen“ können die Stadt­bäume besser wurzeln und ihre Kronen üppiger wachsen. Und je größer sein Blätter­dach im Sommer, desto klima­aktiver ist der Baum. Die unter­irdisch angelegten Speicher­räume versorgen das gestresste Stadt­grün gezielter und länger mit Regen­wasser und dienen zugleich als Über­flutungs­schutz. Eine klassische Win-win-Strategie. Oder ganz old­school „zwei Fliegen mit einer Klappe“.

Bild der Stadt Kopenhagen

Schwammstadt: Beispiel „Sponge City” Kopenhagen

Das Ziel des Schwamm­stadt-Konzepts ist es, das Nieder­schlags­wasser dort zwischen­zuspeichern, wo es fällt. Die Stadt soll saug­fähig sein wie ein Schwamm.

Das große Vorbild und eine Inspiration für viele andere Städte ist Kopenhagen. Die dänische Metropole nahm mehrere Stark­regen­ereignisse nach Beginn des Jahr­tausends zum Anlass, sich vor Über­flutung besser zu schützen. Speziell angelegte Straßen leiten nun das Nieder­schlags­wasser ober­irdisch ab oder halten es temporär zurück. Plätze dienen bei Wolken­brüchen als Rück­halte­becken, neu begrünte und entsiegelte Straßen sorgen für mehr Versickerungs­flächen. In Schwamm­stadt-Quartieren wird das Regen­wasser in einer ganzen Kaskade an Maß­nahmen dezentral bewirtschaftet: Begrünte Dächer oder Haus­fassaden halten den Nieder­schlag zurück, dann fließt er verzögert in ebenfalls begrünte Versickerungs­mulden oder eben in Baum-Rigolen.

Bild eines Gullis

Kirche in Gelsen­kirchen ohne Kanal­anschluss

Das Konzept ist also das genaue Gegenteil von High­tech und lässt sich in neu geplanten Quartieren vergleichs­weise leicht umsetzen. In Bestands­vierteln, also in den aller­meisten Fällen, müsste die Schwamm­stadt allerdings aufwendig nach­gerüstet werden. Die Lukaskirche im Gelsen­kirchener Stadtteil Hassel zeigt, wie das im kleinen Maß­stab gehen kann: Das Regen­wasser, das bislang von den Dächern der Kirche, des Kirch­turms und des überdachten Vorplatzes einfach so in der Kanalisation verschwand, wird nun über Mulden und Rinnen abgeleitet, kann im Boden versickern und bewässert die Bäume auf dem Kirchen­gelände. Das ist gut fürs Mikro­klima im Quartier und spart oben­drein Abwasserkosten.

Unter Klimaschutz Lukaskirche lesen Sie, wie auch kleine Projekte das städtische Mikroklima verbessern.

Blau-grüne Vision für Emscher-Städte

Die Lukaskirche ist ein Vorzeige­projekt der „Zukunfts­initiative Klima.Werk“. Darin haben sich 16 Städte entlang der Emscher zusammen­geschlossen mit dem Ziel, die Region klima­resilienter zu machen, darunter Gelsen­kirchen, Castrop-Rauxel, Reckling­hausen und weitere. Im Sommer 2023 hat Klima.Werk ein Bürgertelefon eingerichtet. Hier gibt es für die Bewohner der mit­machenden Kommunen Beratung rund um das Thema Gründach und das „10.000 Grüne Dächer“-​Förderprogramm der Emschergenossenschaft.

Bild eines kleinen Parks

Pocketparks – Stadtgrün im Westen­taschen­format

Auch „Pocketparks“ helfen dabei, das Mikro­klima in der Stadt zu verbessern. Das sind kleine Grün­anlagen mitten in der Stadt, die zum Verweilen einladen und als nachbar­schaftlicher Treff­punkt für Groß und Klein dienen, sozusagen als Erweiterung der eigenen vier Wände. 2022 startete auch die Stadt Gelsen­kirchen ihr erstes Projekt in Schalke. Um die Gemüse­beete an der Poensgenstraße kümmern sich die Schüler*innen der benachbarten Regen­bogenschule unter gärtnerischer Anleitung. Gurken, Tomaten, Radieschen und Zucchinis gedeihen unter der Devise „Hier wächst Wissen“. Nach einem Rats­beschluss sollen Pocket­parks in allen Gelsen­kirchener Bezirken entstehen. Dafür stellen entweder die Stadt oder private Eigen­tümer*innen Frei­flächen zur Verfügung, die in Spiel­flächen, Hoch­beete oder Kräuter­gärten verwandelt und von Anrainern genutzt und gepflegt werden sollen.

Mit dem Garten hoch hinaus

Brachflächen, Baulücken und ungenutzte versiegelte Flächen sind wie geschaffen für die Anlage solcher Grün­inseln, die überdies Insekten und Vögeln in der Stadt Nahrung bieten. Wo die Baul­ücken knapp sind, wie in den großen Metropolen, lassen sich statt­dessen auch ganze Gärten und Parks auf Dächer pflanzen. Ein Beispiel: der alte Hochbunker im Hamburger Stadtteil St. Pauli. Seit Ende 2022 wächst auf dem Beton­koloss in 58 Metern Höhe ein öffentlicher Dach­garten. Fast 5.000 Bäume, Sträucher und Kletter­pflanzen verwandeln den grauen Würfel in eine blühende Oase.

Abbildung Grundstücksentwässerung

Von Grau zu Grün

Für ein besseres Stadtklima kann jeder etwas tun. Flach­dächer und Haus­dächer mit nur geringer Neigung lassen sich ohne größeren Aufwand nachträglich begrünen. Und wer zugepflasterte Flächen, beispiels­weise in Innen­höfen, entsiegelt, tut ebenfalls Gutes: Jeder Quadrat­meter Grün hilft dabei, dass Regen­wasser ins Grund­wasser gelangen kann und seinem natürlichen Kreis­lauf zugeführt wird.

Bild eines City Parks

Schwammstadt-Konzept

Auch Springbrunnen, Teiche und Brunnen helfen gegen Hitze in der Stadt. Und weniger Autos: Statt mit Stell­plätzen könnte man Straßen mit begrünten Versickerungs­mulden ausstaffieren. Für den fahrbaren Untersatz müssten dann Quartiers­garagen gebaut werden, um auf kleinem Raum möglichst viele Stell­plätze unterzubringen, damit wieder mehr Platz für Grün in der Stadt ist. Das erfordert allerdings Akzeptanz und eine hohe Veränderungs­bereitschaft der Bewohner*innen.

Fazit: Eine grünere Stadt mit Schwamm­effekt macht das Leben in der Stadt angenehmer, grüner und gesünder. Auf jeden Fall muss ein Fehler aus der Vergangenheit vermieden werden: nämlich, in großem Maßstab Flächen zu versiegeln, die deshalb kein Wasser aufnehmen können

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