Strompreis: Beschaffungskosten enorm gestiegen
2022 gab es einen Wendepunkt auf dem deutschen Strommarkt: Seit der Jahrtausendwende war die EEG-Umlage Bestandteil unseres Strompreises. Sie förderte den Ausbau von Solar-, Wind-, Biomasse- und Wasserkraftwerken – ehe sie zum 01.01.2022 auf 3,723 ct/kWh halbiert und dann zum 01.07.2022 vorzeitig ganz abgeschafft wurde, um die Bürger*innen in der Krise zu entlasten.
Der durchschnittliche Strompreis für Haushalte erreichte nach aktuellen Zahlen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) im ersten Halbjahr 2022 die Rekordhöhe von 37,07 Cent je Kilowattstunde (kWh) und kletterte im zweiten Halbjahr auf 40,07 Cent je kWh. Der Grund: Die Beschaffungskosten im Großhandel waren im vergangenen Jahr um rund 160 Prozent auf 20,64 ct/kWh gestiegen. Der Wegfall der EEG-Umlage brachte den Verbraucher*innen eine Ersparnis von 3,723 ct/kWh, konnte aber den allgemeinen Preisanstieg kaum abmildern.
Ein Strompreis – drei Bestandteile
Damit sind wir beim Thema: Wie wird eigentlich der Preis gebildet? Grob gesagt setzt sich der Strompreis in Deutschland aus drei Teilen zusammen: den Kosten für Beschaffung und Vertrieb, den Netzentgelten sowie Steuern, Abgaben und Umlagen. In den vergangenen Jahren machten die beiden letzten Bestandteile mehr als die Hälfte des Strompreises je Kilowattstunde aus. Im Krisenjahr 2022 jedoch hat sich die Gewichtung verschoben.
Abgaben und Umlagen: Diese Anteile bekommt der Staat
Strom wird in Deutschland besteuert – unter anderem mit der Stromsteuer. Die Mehrwertsteuer ist natürlich auch zu zahlen. Hinzu kommen weitere Abgaben und Umlagen, vor allem für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die bekannteste, die EEG-Umlage, auch „Ökostromumlage“ genannt, wurde zum 1. Juli 2022 abgeschafft. Im zweiten Halbjahr sank der Anteil der Abgaben, Steuern und Umlagen am Haushaltsstrompreis auch deshalb auf 28 Prozent. Im Jahr 2021 betrug dieser „Staatsanteil“ noch 51 Prozent.
Nach Aussage des BDEW brachte die Abschaffung der EEG-Umlage aus einem weiteren Grund kaum Entlastung für die Kund*innen: Auf die gestiegenen Strompreise müssen diese weiterhin die volle Mehrwertsteuer von 19 Prozent entrichten. Anders als beim Gas, auf das seit 1. Oktober 2022 nur noch 7 Prozent Mehrwertsteuer fällig werden.
Reguliert: Strom-Netzentgelte
Netzbetreiber transportieren und verteilen Energie an die Endverbraucher*innen. Dafür erhalten sie die sogenannten Netznutzungsentgelte. Im zweiten Halbjahr 2022 machte diese staatlich regulierte Vergütung laut BDEW rund 20 Prozent des durchschnittlichen Strompreises aus (2021: 24 Prozent). Unter Netzentgelte fallen in dieser Rechnung auch Kosten für Dienstleistungen wie Strom-Messung, Messstellenbetrieb und Abrechnung.
Vom Markt bestimmt: Strombeschaffung und Vertrieb
Weitere Kosten entfallen beim Strompreis auf die Beschaffung im Großhandel und den Vertrieb sowie Dienstleistungsentgelt etwa für Kundenservice und Personal. Nur diesen Anteil können Stromanbieter beeinflussen, die anderen Preisbestandteile – sprich: Steuern, Abgaben, Netzentgelte etc. – sind gesetzlich festgelegt oder reguliert.
Weil sich die Kosten des Stromeinkaufs 2022 so stark erhöhten, lag ihr prozentualer Preisanteil im zweiten Halbjahr bei 52 Prozent – gegenüber 25 Prozent im Jahr zuvor. Die Kosten der Beschaffung im Großhandel können Stromanbieter beim gegebenen Preisniveau nur sehr bedingt beeinflussen.
Was bedeutet Grund- und Arbeitspreis?
Auf der Strom- und Gasrechnung, die Privathaushalte erhalten, finden sich Grundpreis und Arbeitspreis. Den Grundpreis setzt der Stromversorger als feste Kosten für die Abrechnung, Zählermiete, Bereitstellung der Energie etc. an. Die wichtigste Größe für die Höhe der Strom- oder Gasrechnung ist in der Regel der Arbeitspreis: Dieser ist für den tatsächlichen Verbrauch zu zahlen, er wird nach Kilowattstunden (kWh) abgerechnet. Beim Gas wird zur Berechnung des tatsächlichen Wärmebezugs in kWh das am Zähler abgelesene Gasvolumen (m3) umgerechnet und mit dem sogenannten Abrechnungsbrennwert (Heizwert) multipliziert.
Zusammensetzung Gaspreis: Das bezahlen private Haushalte
Ähnlich wie beim Strom gibt es auch beim Gas drei Kostenfaktoren. Auf einer durchschnittlichen Monatsrechnung im Einfamilienhaus und einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh ergeben sich nach Berechnungen des BDEW folgende Anteile:
- Gasbeschaffung und Vertrieb machten im 4. Quartal etwa 80 Prozent des Gaspreises aus (in den drei Quartalen zuvor waren es 66 Prozent). Als größter Kostentreiber wirkten die massiv gestiegenen Beschaffungskosten im Großhandel.
- Die Netzentgelte betrugen im Schnitt 8 Prozent (zuvor 11 Prozent). Allerdings schwankt die Höhe des Netzentgelts je nach Region, viel stärker als beim Strompreis.
- Steuern und Abgaben lagen bei 12 Prozent (zuvor 23 Prozent). Zu diesem staatlichen Anteil am Gaspreis gehört auch die 2021 eingeführte CO2-Steuer. Diese versieht den Ausstoß klimaschädlicher Gase mit einem Preisschild, um damit Anreize zum Energiesparen bzw. für Investitionen in umweltfreundliche Heizungen zu setzen. Für 2023 wurde die Erhöhung ausgesetzt, in den kommenden Jahren soll die Steuer von 30 Euro je Tonne CO2 (2023) auf 55 bis 65 Euro (2026) steigen.
Gaspreis: Das bezahlen private Haushalte im Durchschnitt je kWh
Eine bittere Pille für alle Haushalte, die mit Erdgas heizen: Der Krieg in der Ukraine ließ die Weltmarktpreise extrem steigen. Von gut 7 Cent je Kilowattstunde 2021 verteuerte sich Erdgas für Haushalte im vierten Quartal 2022 auf 20,04 Cent laut aktueller BDEW-Gaspreisanalyse bei einem mittleren Gasverbrauch von 20.000 kWh im Jahr. Für Mehrfamilienhäuser liegt der Gaspreis mit im Schnitt 19,81 ct/kWh kaum niedriger.
Gesunkene Gaspreise kommen verzögert an
An den Märkten, auf denen Gasversorger ihr Erdgas einkaufen, lagen die Preise zum Teil beim Zehnfachen und mehr gegenüber „normalen“ Zeiten. Die Beschaffung kostete im vierten Quartal 2022 fast fünfmal so viel wie im Vorjahr.
Derzeit sinken die Einkaufspreise zwar wieder, doch diese kommen erst mit zeitlicher Verzögerung bei den Verbraucher*innen an. Das liegt daran, dass Versorger ihr Gas in der Regel langfristig beschaffen, die meisten haben also die Mengen für das Jahr 2023 bereits komplett beschafft. Privathaushalte und kleinere Unternehmen werden aber von der Gaspreisbremse 2023 profitieren, die am 1. März rückwirkend zum 1. Januar eingeführt wird.
Was heißt eigentlich Grund- und Ersatzversorgung?
Verbraucher*innen können unter vielen Strom- und Gasanbietern wählen. Normalerweise funktioniert die Belieferung mit Energie gut. Doch einige Anbieter mussten angesichts der Marktlage kapitulieren: Wenn sie nicht rechtzeitig und in ausreichender Menge Strom und Gas beschafft oder falsch kalkuliert hatten, konnten sie ihre Kund*innen nicht mehr beliefern. Vor allem dann nicht, wenn sie zuvor mit niedrigen Preisen geworben und womöglich Festpreise versprochen hatten. Die „schwarzen Schafe“ unter diesen Anbietern ließen ihre Kund*innen einfach im Regen stehen.
In Deutschland gibt es zum Glück eine gesetzliche Regelung, damit niemand ganz ohne Versorgung dasteht. Fällt der Lieferant aus, greift die sogenannte Ersatzversorgung des Grundversorgers: Grundversorger für eine bestimmte Netzregion ist, wer dort die meisten Kund*innen beliefert. Ein Automatismus ist dies jedoch nicht: Wer einen neuen Lieferanten und einen neuen Vertrag benötigte, weil der alte gegenstandslos geworden war, musste bei seinem Grundversorger in der Ersatzversorgung vorübergehend ungünstige Konditionen in Kauf nehmen und deutlich mehr bezahlen. Die Ersatzversorgung erfolgt über maximal drei Monate, bis Kund*innen einen neuen Lieferanten beauftragt haben. Weiterführende Informationen zur Grund- und Ersatzversorgung finden Sie hier.
Energiepreisbremsen der Bundesregierung
Für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs werden Bundesbürger*innen vom Jahresbeginn 2023 an eine finanzielle Entlastung erhalten. Für Strom sollen sie nicht mehr als 40 Cent zahlen, für Gas 12 Cent je Kilowattstunde. Mit der Auszahlung wird es aufgrund der komplizierten Durchführung mindestens bis März 2023 dauern. Mehr Infos zu den Preisbremsen finden Sie hier.
Am besten passt’s genau: der Abschlag
Wer selbst regelmäßig seinen Strom- und Gas-Abschlag checkt, kann sich vor hohen Nachzahlungen auf der nächsten Energierechnung schützen. Wie Erenja Ihre Abschläge berechnet und Sie mit wenigen Klicks einen Abschlagscheck machen können, erfahren Sie hier.
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