Größtes Windrad Deutschlands entsteht derzeit in der Lausitz
Der vom Bund finanzierte Prototyp in Schipkau wird von der GICON-Gruppe im Auftrag der Beventum GmbH, einer Tochter|gesellschaft der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND), realisiert. Wenn alles nach Plan läuft, kann das Höhenwindrad im Sommer 2025 in Betrieb gehen.
Vor Jüchen war der GICON-Windmessmast etwa ein Jahr lang in der südbrandenburgischen Gemeinde Schipkau (Oberspreewald-Lausitz) in Betrieb. Dort wurde im September 2024 im Windpark Klettwitz, einem der leistungsstärksten Europas, der Grundstein für das erste Höhenwindrad Deutschlands und der Welt gelegt. Das Zentrum der Nabe soll sich 300 Meter über dem Boden befinden, die Enden der Rotorblätter noch einmal 63 Meter darüber kreisen. Selbst das höchste Gebäude Deutschlands, der Berliner Fernsehturm, ist mit 368 Metern nur fünf Meter höher. Gängige Windkraftanlagen, die heute errichtet werden, sind mit einer Nabenhöhe von rund 140 Metern nicht einmal halb so groß. Und es sind sogar Flügellängen von 100 Meter möglich, mit denen insgesamt eine Höhe von rund 400 Metern erreicht werden kann.
Erträge vergleichbar mit Offshore-Windkraft
Höhenwindräder sollen es ermöglichen, die stärkeren und stetigeren Winde in großen Höhen zu nutzen, die für herkömmliche Anlagen bislang nicht zugänglich waren. Dort habe der Wind „nicht nur höhere Mittel|werte, sondern auch eine breitere Verteilung, was zu deutlich mehr Volllast|stunden bei Windenergie|anlagen führt“, sagte GICON-Gründer und -Geschäftsführer Jochen Großmann im September 2024 im MDR-Fernsehen. Im Vergleich zu normalen Anlagen mit gleichem Rotor|durchmesser sei der Stromertrag mehr als doppelt so groß. Das hätte sich bei den Windmessungen in Schipkau bereits in den ersten Tagen abgezeichnet. Das Höhen|windrad könnte laut Großmann „ein echter techno|logischer Durchbruch bei der Wind|energie an Land“ sein. Die Technologie sei vergleichbar mit Offshore-Anlagen auf See, aber eben bei Onshore-Betriebs|verhältnissen. „Das bedeutet die Kosten bei der Errichtung und Wartung sind deutlich geringer, was sich positiv auf die Wirtschaft|lichkeit auswirkt“, so der GICON-Chef.
XXL-Windrad: Höhe statt Fläche
Ein weiterer Vorteil der Höhenwindräder: Sie benötigen keine zusätzliche Fläche, weil sie zwischen bestehende Anlagen gebaut werden können. Die Türme sind so hoch, dass sich die Rotoren nicht überschneiden und gegenseitig den Wind wegnehmen. So wird es möglich, die XXL-Turbinen als zweites oder gar drittes Stockwerk in bestehende Windparks mit mittleren und kleinen Windrädern zu integrieren. Das Ziel: weniger Standorte, aber ein erheblich höherer Energieertrag. Interessant ist das Mehr-Etagen-Konzept auch deshalb, weil die neuen Türme keine aufwendigen neuen Genehmigungsverfahren durchlaufen müssen.
Größtes Windrad der Welt zu hoch für Kräne
Der von den GICON-Ingenieuren entwickelte Turm des Höhenwindrads wird als Stahlfachwerkkonstruktion errichtet. Da es noch keinen Kran gibt, der in der Lage ist, das Maschinenhaus mit dem Generator auf eine Höhe von 300 Metern zu hieven, soll er aus zwei Teilen bestehen, dem festen Außenturm und einen verschiebbaren Innenturm. Zur Montage des Maschinenhauses – und für spätere Wartungsarbeiten – würde der innere Turm so weit heruntergefahren, dass ein Kran die Turmspitze erreichen kann.
In den kommenden Jahren möchte GICON in Deutschland bis zu 1.000 solcher Anlagen auf bereits genutzte Flächen in Deutschland bauen. Perspektivisch könnten sie dann mit etwa 10.000 MW (10 GW) die Kapazität der deutschen Windindustrie ergänzen und so der Energiewende neuen Schub geben. Und ein solcher wird dringend gebraucht, denn der Windkraftausbau an Land läuft immer noch zu schleppend. Zwar ersetzen Betreiber viele ihrer alten Turbinen durch neue, leistungsstärkere Anlagen. „Repowering“ allein jedoch reicht nicht, denn bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs mit erneuerbaren Energien gedeckt werden. Um das zu schaffen, müssen nach Berechnungen der Bundesregierung jedes Jahr mindestens zehn Gigawatt Windleistung zugebaut werden. 2023 waren es erst dreieinhalb.
Ist Windenergie die Lösung für ehemalige Braunkohlereviere?
Nach Einschätzung der Bundesagentur SPRIND, die GICON mit den Windmessungen in Jüchen und in der Lausitz beauftragt hat, böten Höhenwindräder viel Potenzial für eine innovative, schnelle und wirtschaftliche Neuausrichtung ehemaliger Braunkohlereviere.
Sowohl das Rheinische Revier wie auch die Reviere in den ostdeutschen Bundesländern hätten laut SPRIND Interesse daran, zu „windenergiebasierten Innovations- und Produktionsregionen” zu werden. Einen Vorteil hätte diese Vision auch für die Anwohner, denn anders als die gigantischen Bagger und Förderbrücken im Braunkohletagebau verursachen Windparks deutlich weniger Lärm und keinen Staub.
Die Messungen an der A 44n in Jüchen werden bald zeigen, ob Höhenwindräder im Rheinischen Revier eine Zukunft haben. Schon in sechs Jahren sollen hier die letzten Braunkohlekraftwerke vorzeitig vom Netz gehen. Bis dahin ist mit einem schnell wachsenden Bedarf an sauberem Strom zur Elektrifizierung des Industrie-, Gebäude- und Verkehrssektors zu rechnen – und zur Erzeugung von grünem Wasserstoff, der langfristig Erdgas und Kohle als Energieträger beispielsweise in der Stahlproduktion, in Gaskraftwerken und vielen weiteren Bereichen verdrängen soll.
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