Deutschlands Müllberg: 7 Cheops-Pyramiden
Rechnet man allen Hausmüll mit allen hausmüllähnlichen Gewerbeabfällen zusammen, dann haben die Deutschen nach den neuesten verfügbaren Zahlen vom Statistischen Bundesamt im Jahr 2022 mehr als 43 Millionen Tonnen Abfälle produziert. Das entspricht fast sieben Mal dem Gewicht der größten der drei Pyramiden von Gizeh. Höchste Zeit also, etwas gegen die Ressourcenverschwendung zu tun. Mit bewusster Müllreduzierung und der Wiederverwendung von Abfällen könnten unsere begrenzten natürlichen Rohstoffe viel besser genutzt werden.
Zero-Waste, was ist das überhaupt?
Als die Zero-Waste-Pionierin gilt die Bloggerin Béa Johnson. Ihr Buch „Zero Waste Home“ (deutsche Ausgabe: „Glücklich leben ohne Müll”) wurde 2008 ein Bestseller und löste eine globale Bewegung aus. Die Kalifornierin mit französischen Wurzeln pflegt mit ihrer Familie einen konsequenten Zero-Waste-Lebensstil und hat Einwegprodukte ebenso wie Plastik komplett aus ihrem Alltag verbannt. In TV-Shows und bei Vortragsreisen, auf denen sie für ein von überflüssigen Besitztümern befreites, einfacheres Leben wirbt, verblüfft sie ihr Publikum mit Sätzen wie „Unser ganzer Müll passt in ein einziges Glas“.
Zero Waste – einfacher Leben mit den „5 R’s“
Zero-Waste-Expertin Béa Johnson hat fünf simple Grundsätze formuliert, die so etwas wie eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zu einem nachhaltigen Lebensstil sind:
- Refuse (ablehnen): Dinge, die man nicht braucht, gar nicht erst kaufen.
- Reduce (reduzieren): Auch von dem, was man benötigt, weniger nutzen.
- Reuse (wiederverwenden): Gegenstände möglichst lange in Gebrauch behalten, z. B. durch Reparieren oder Upcycling, damit keine neuen produziert werden müssen.
- Recycle (wiederverwerten): Stofflich verwerten, was nicht mehr zu gebrauchen ist.
- Rot (kompostieren): Sprich, kompostierbare Produkte nutzen.
Konsum – die Wurzel allen Müll-Übels
Der beste Müll ist der, der gar nicht erst entsteht – und der Anfang allen Müll-Übels ist der Spontankauf. Wer seinen Abfall reduzieren will, sollte sich daher vor jedem Kauf fragen, ob er ein Produkt auch wirklich braucht. Zudem kann man auch auf Dinge zurückgreifen, die bereits im Warenkreislauf sind. Flohmärkte, Tausch-Apps oder selbst organisierte Nachbarschafts-Gruppen helfen dabei. Auch können Elektrogeräte so lange genutzt werden, bis sie nicht mehr zu reparieren sind. Ebenso wichtig ist, sich bewusst zu machen, welche Produkte und Verpackungen umweltfreundlich sind und welche nicht. All das entlastet am Ende nicht nur spürbar das Haushaltsbudget, sondern auch die Umwelt. Für jedes neue Produkt und jede Verpackung werden schließlich Energie und begrenzt vorhandene natürliche Ressourcen verbraucht.
Zero Waste – Tipps für Anfänger*innen
Sie müssen kein Zero-Waste-Klassenprimus werden: Jeder Schritt zur Abfallvermeidung trägt dazu bei, wertvolle Rohstoffe zu schonen und die Umwelt zu schützen. Wir geben Ihnen hier einige Tipps und stellen geniale Smartphone-Apps vor, die Ihnen die Müllvermeidung leichter machen.
Einkaufsliste machen
Apps & Tipps: Einkaufsplaner-Apps wie „Die Einkaufsliste“, „Bring!“ (mit Rezeptideen) oder „Überliste Einkaufsliste“ helfen Ihnen dabei, Ihren Einkauf besser zu organisieren und weniger wegzuwerfen. Der NABU-Siegel-Check erleichtert den Durchblick im Label-Dschungel! Einfach Logo oder Siegel von der Verpackung abfotografieren. Die App informiert sofort darüber, um welche Kennzeichnungen es sich handelt.
Etwa 30 bis 40 Prozent unserer Einkäufe sind ungeplant. Das trägt massiv dazu bei, dass viele Lebensmittel in der Mülltonne landen. Deshalb ist es wichtig, sich eine Einkaufsliste zu machen und vorher einen Blick in den Kühlschrank, aber auch in die Vorratsschubladen zu werfen. Das verhindert überflüssige Doppelkäufe. Und nach dem Einkauf stellen Sie beim Einräumen der Lebensmittel die mit dem kürzesten Mindesthaltbarkeitsdatum konsequent nach vorne, um diese zuerst zu verbrauchen. Apropos: In fast allen Fällen können Lebensmittel auch nach dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch gegessen werden.
Unverpackt einkaufen
Apps & Tipps: In der App „Wastelesslife“ haken Sie nicht nur Ihre Einkaufsliste ab, sondern werden auch dazu animiert, Ihren Kunststoffkonsum beim Einkauf zu reduzieren. Für jedes Produkt können Sie einen Haken bei „mit Plastik“ oder „ohne Plastik“ setzen. Anschließend erstellt die App eine Statistik darüber, wie viel Kunststoff Sie für jede Produktart und pro Monat „verbraucht“ haben.
Fast 240 Kilo Verpackungsmüll verursacht jeder von uns jährlich! Dazu gehören neben umweltschädlichen Plastikverpackungen aus Erdöl auch Unmengen an Papier, Pappe und Kartons. Daher ist es wenig sinnvoll, Kunststoff durch andere Materialien zu ersetzen. Verpackungsmüll gänzlich vermeiden ist das Stichwort. In Unverpackt-Läden gibt es die meisten Lebensmittel, aber auch Waschmittel, Shampoo & Co. lose zu kaufen. Dazu bringen Sie einfach Ihre eigenen Vorratsbehälter oder Schraubgläser mit. Eine bundesweite Liste der Unverpackt-Läden bietet zum Beispiel der NABU.
Unverpacktläden sind weiterhin rar gesät, doch Milchprodukte und Säfte bekommen Sie auch im Supermarkt aus dem Mehrwegglas – und saisonales regionales Obst und Gemüse gibt’s lose auf dem Wochenmarkt. Aber ehe Sie dorthin aufbrechen: Vergessen Sie nicht, Stoffbeutel für Ihre Einkäufe sowie wiederverwendbare Obst- und Gemüsenetze mitzunehmen.Und wenn Sie eine Papiertüte im Geschäft kaufen, sollten Sie diese mindestens viermal nutzen. Erst dann sind sie klimafreundlicher als Plastiktüten.
Lebensmittelretter werden
Von krummen Birnen bis zum Joghurt kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum – pro Kopf und Jahr landen in Deutschland etwa 79 Kilogramm Essen im Müll! Schockierend, nicht? Die gute Nachricht: Mit Unterstützung Ihres Smartphones können Sie heute ganz einfach zum Lebensmittelretter werden. In der App Zu gut für die Tonne! vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finden Sie zum Beispiel zahlreiche Rezepte für die Resteküche. Einfach die vorhandenen Zutaten eingeben, anschließend werden die Rezepte vorgeschlagen. In der App Too good to go bieten viele Supermärkte, Restaurants und Bäckereien Lebensmittel zum günstigen Preis in der Überraschungstüte an, die Sie sich direkt online reservieren können. So retten Sie Backwaren vom Vortag oder Obst und Gemüse mit Druckstellen ganz legal vor der Mülltonne. Solche Läden gibt es sicher auch in Ihrer Nähe.
Etwas Altes in etwas Neues verwandeln – Upcycling
Beim Upcycling wechseln alte Gegenstände nicht nur das Aussehen, sondern oft auch ihre Bestimmung. Omas Kommode ist komplett verzogen und klemmt? Macht nichts. Als Wandregale geben die alten Holzschubladen noch richtig was her.
Surftipp: Die DIY-Plattform Pinterest ist eine Fundgrube für kreative Zero-Waste-Fans: Aus Altkleidern werden neue Lieblingsstücke genäht, aus antiken Kirchenbänken Kopfenden für das Bett gezimmert oder aus Getränkekartons mit den Kindern bunte Geldbörsen gebastelt. Viele Tipps für nachhaltige Upcycling-Ideen finden Sie auch bei DIY-Academy.eu
Reparieren statt wegwerfen
Eine neue EU-Richtlinie gibt Käufer*innen ein Recht auf Reparatur – für einen bestimmten Zeitraum und über die Gewährleistungszeit hinaus. Der Käufer muss dem Verkäufer für die Reparatur lediglich eine angemessene Frist einräumen. Bis Ende Juni 2026 soll die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Ein zentrales Element der neuen Regelung ist der digitale Produktpass, auf dem man ablesen kann, wie ein Produkt hergestellt wurde, ob es repariert werden kann und seine Bestandteile wiederverwertbar sind.
Bleibt das Küchenradio stumm, hat das Handydisplay einen Riss oder das Holzspielzeugauto ein Rad verloren, könnte ein Besuch in einem Repair-Café weiterhelfen. Die ehrenamtlichen Reparaturinitiativen öffnen zu festgelegten Terminen ihre Türen für alle Menschen, die ihren kaputten Besitztümern noch ein zweites Leben schenken möchten. Geschickte Hände unterstützen Sie dabei, Elektrokleingeräte, Kleidungsstücke oder sogar Kleinmöbel und Fahrräder zu reparieren. In fast jeder Stadt gibt es Repair-Cafés. Infos dazu finden Sie zum Beispiel auf der Homepage Ihrer Kommune.
Mit Secondhand die Umwelt schützen
Secondhand ist eine gute Möglichkeit, um Ressourcen zu sparen und etwas Abstand zur Fast-Fashion-Mode zu gewinnen. In fast jeder NRW-Stadt können Sie in Geschäften und auf Flohmärkten nach Vintage-Kleidung stöbern. Gegenüber Secondhand-Markplätzen im Internet wie eBay, Zalando & Co. hat dies den Vorteil, dass kein Verpackungsmaterial und auch keine ressourcenfressenden Retouren anfallen, da man die Secondhand-Schätze gleich im Laden anprobieren kann. Umgekehrt können Sie gut erhaltene Stücke aus Ihrer Garderobe in Kleiderläden etwa von Kinderschutzbund oder dem Deutschen Rote Kreuz abgeben. Viele Frauenhäuser nehmen ebenfalls Kleidung und Spielzeug entgegen.
Tipp: Unter altkleiderspenden.de finden Sie Altkleidersammelstellen, die als transparent und fair und transparent eingestuft sind.
Kleider tauschen – wenn aus Schrankhütern Schätze werden
NRW ist Vintage-Hochburg
Mit knapp 25 Vintage-Läden und -märkten pro 100.000 Einwohner ist Münster nach Nürnberg Deutschlands zweite Second-Hand-Hochburg. Das ergab eine Erhebung des Vintage-Design-Marktplatzes whoppah.com. Aber auch Dortmund, Wuppertal und Bochum belegen Plätze in den Top Ten.
Wer kennt sie nicht, die Kleidungsstücke, die man begeistert gekauft hat und nun ein trauriges Dasein in der hintersten Ecke des Schranks fristen? Der Pulli vom Ex, die Jeans, in die Sie nicht mehr reinpassen, die Bluse, die von Beginn an ein Fehleinkauf war … Die gute Nachricht ist: Es gibt Menschen da draußen, die exakt nach dem suchen, was Sie aussortiert haben. Und umgekehrt. Bei Kleidertauschevents kann man neue Lieblingsteile finden. Erfahren Sie, wo die nächste Kleidertauschparty steigt.
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Wenn das Thema Zero Waste Sie interessiert, dann empfehlen wir Ihnen auch diese Artikel im Erenja-Magazin: Um Nachhaltiges Einkaufen & Co. geht es in dem Beitrag „Raus aus Teufels Küche“. Wie Sie Ihren Abfall korrekt trennen, erfahren Sie hier. Auch zur Entsorgung vom Elektroschrott geben wir Ihnen viele Tipps. Und nach den „5 R’s“ der Müllvermeidung stellen wir Ihnen die „5 Big Points“ vor, mit denen Sie ihren CO2-Fußabdruck effektiv verkleinern können.
Kreis Höxter will erste „Zero Waste Region“ werden
Als erste Stadt Deutschlands ist Kiel seit 2023 „Zero Waste Certified City“. Das Zertifikat wird von dem Netzwerk Zero-Waste-Europe vergeben. Bis 2035 will die Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein ihren Restmüll halbieren und die Gesamtabfallmenge um 15 Prozent senken. Jetzt strebt der Kreis Höxter als erster Kreis Deutschlands den Titel „Zero Waste Region“ an. Die Voraussetzungen sind gut: Nirgendwo in NRW fällt pro Kopf so wenig Müll an: 365,8 Kilogramm Abfall hat jeder Bürger und jede Bürgerin im Kreis Höxter im Jahr 2023 entsorgt, so die Zahlen des Landesbetriebs IT.NRW. Damit liegt die Region klar unter dem landesweiten Durchschnitt mit 441,2 Kilogramm pro Kopf.
Um möglichst viele Menschen auf dem Weg zur Zero-Waste-Region mitzunehmen, lud der Kreis Höxter Vertreter*innen aus Wirtschaft, Verwaltung, der Abfallwirtschaft und der Bürgerschaft zu Ideenworkshops ein. Daraus entstand das jetzt vorliegende Konzept mit 25 konkreten Maßnahmen, die ab 2025 mit Unterstützung des Kreises umgesetzt werden sollen. Das Spektrum reicht von Mehrweggeschirr bei Veranstaltungen über die Förderung von Reparaturcafés, Upcycling-Workshops, Kampagnen gegen Lebensmittelverschwendung und Schulprojektwochen bis hin zur Beschaffung nach Zero-Waste-Kriterien in den kommunalen Verwaltungen. Sprechen Sie doch Ihre Stadt oder Ihren Kreis darauf an, ebenfalls zur Zero Waste City oder Zero Waste Region zu werden.
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